Einführung: Warum klassische Mediation oft nicht ausreicht
Konflikte sind ein unvermeidlicher Bestandteil menschlicher Interaktionen – sei es in Unternehmen, Teams, Partnerschaften oder Familien. Klassische Mediation zielt darauf ab, Sach- und Beziehungsinteressen zu klären und eine faire Lösung zu finden. Doch wenn tiefgehende emotionale Verletzungen im Spiel sind, stößt diese Methode oft an ihre Grenzen. Genau hier setzt die Systemische Mediation an.
Diese besondere Form der Mediation betrachtet nicht nur aktuelle Konfliktsituationen, sondern geht einen Schritt weiter: Sie identifiziert und löst systemische Verletzungen, die über Jahre hinweg gespeichert wurden. Durch diesen Ansatz werden die Betroffenen wieder in die Lage versetzt, eigenständig tragfähige Lösungen zu finden – ohne fortwährende Eskalationen oder ungelöste Spannungen im Hintergrund.
Die Bedeutung der Systemgesetze in der Mediation
Die Systemgesetze sind universelle Prinzipien, die bestimmen, ob ein soziales Gefüge – sei es ein Unternehmen, eine Familie oder ein Team – harmonisch funktioniert. Werden diese Gesetze verletzt, entstehen unbewusste Spannungen, die zu Konflikten und sogar destruktivem Verhalten führen können.
Zu den wichtigsten Systemgesetzen gehören:
- Zugehörigkeit – Niemand darf aus einem System ausgeschlossen werden.
- Wertschätzung – Jedes Mitglied des Systems hat ein Recht auf Anerkennung und Respekt.
- Gerechtigkeit im Geben und Nehmen – Wenn eine Seite dauerhaft mehr gibt oder nimmt, entsteht ein Ungleichgewicht.
- Das Frühere hat Vorrang vor dem Späteren – Frühere Verletzungen beeinflussen oft unbewusst das aktuelle Verhalten.
- Verantwortung und Kompetenz haben Vorrang – Führungskräfte oder Ältere haben eine besondere Verantwortung für das System.
Wenn diese Prinzipien verletzt werden, äußert sich das in Symptomen wie hoher Fluktuation, Teamkonflikten, Demotivation oder Machtkämpfen. Systemische Mediation setzt genau an diesen Stellen an.
Wie entstehen Systemgesetzverletzungen?
Jede Systemgesetzverletzung folgt einem bestimmten Muster:
- Basisgefühle entstehen sofort
– Wird jemand ausgegrenzt oder nicht wertgeschätzt, löst dies unmittelbar ein unangenehmes Gefühl aus (z. B. Druck im Magen, Anspannung, Wut). - Denken und Interpretation setzen ein
– Die betroffene Person sucht nach einer Erklärung für ihr Gefühl. Dabei wird das Erlebte durch persönliche Erfahrungen und Glaubenssätze interpretiert („Mein Chef respektiert mich nicht“, „Meine Eltern bevorzugen meinen Bruder“). - Unbewusste Schutzmechanismen greifen
– Viele Menschen unterdrücken ihre negativen Gefühle oder projizieren sie auf andere. Dies führt zu passiver Aggression, Rückzug, Krankheiten oder wiederholten Konflikten.
Ein Konflikt ist also selten nur das Ergebnis eines aktuellen Ereignisses, sondern oft Ausdruck eines tieferliegenden, ungelösten Musters.
Systemische Mediation: Der Weg zur Lösung
In der Systemischen Mediation werden diese systemischen Verletzungen aktiv bearbeitet und aufgelöst, um eine nachhaltige Veränderung zu ermöglichen. Dabei gibt es drei verschiedene Herangehensweisen:
1. Lösungsorientierung in der Gegenwart (klassische Mediation)
Die klassische Mediation fokussiert sich darauf, den aktuellen Konflikt zu analysieren und Interessen auszugleichen. Dies kann jedoch problematisch sein, wenn tiefgehende emotionale Verletzungen vorhanden sind. Die Konfliktparteien können dann oft nicht neutral über die Situation sprechen oder deckeln ihre wahren Emotionen.
2. Lösungsorientierung in die Zukunft
Einige Coaching- oder Mediations-Ansätze fordern die Beteiligten auf, sich eine Zukunft ohne Konflikt vorzustellen. Doch auch diese Methode scheitert häufig bei tiefsitzenden Verletzungen – die Betroffenen sagen dann oft: „Selbst auf meinem Sterbebett wäre es nicht gut.“
3. Lösungsorientierung in die Vergangenheit (systemische Mediation)
Der systemische Ansatz geht zurück zu dem Zeitpunkt, als die Beziehung zwischen den Konfliktparteien noch unbelastet war. Von dort aus wird die erste Verletzung identifiziert und bearbeitet. Durch spezifische Methoden kann die emotionale Ladung, die sich über Jahre oder Jahrzehnte aufgebaut hat, aufgelöst werden.
Nur wenn die ursprüngliche Systemgesetzverletzung aufgelöst wird, können die Beteiligten wieder frei miteinander agieren.
Die fünf Voraussetzungen zur Auflösung von Systemgesetzverletzungen
Damit eine systemische Mediation erfolgreich ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Die Verursacher der Verletzungen müssen bekannt sein – Oft sind dies nicht nur die direkten Konfliktparteien, sondern auch frühere Vorgesetzte, Familienmitglieder oder andere Bezugspersonen.
- Es gab einmal eine gute oder neutrale Beziehung – Falls es zwischen zwei Personen nie eine positive Beziehung gab, ist eine Auflösung kaum möglich.
- Die Betroffenen haben genug innere Kraft, sich dem Konflikt zu stellen – Eine Person, die emotional völlig erschöpft ist, kann oft keine nachhaltige Lösung finden. Oder wenn zu viele Ängste oder Prägungen ein neues Verhalten verhindern.
- Die Verletzung wird sprachlich richtig angesprochen – Es reicht nicht, ein einfaches „Entschuldigung“ auszusprechen. Die Verletzung muss klar benannt und emotional verarbeitet werden. Die verursachende Person muss das Leid anerkennen, ein neues Verhalten anbieten und anteilig Verantwortung für den Ärger, also Wut nehen.
- Die eigene Interpretation (die „Brille“) kann verändert werden – Sind die ersten vier Schritte erfolgreich, dann verändert sich die Sichtweise.
Wenn alle fünf Punkte erfüllt sind, lassen sich selbst langjährige Konflikte auflösen, indem von dort alle weiteren Hin- und Rückverletzungen mit den fünf Schritten aufgelöst werden. Detailliert wird die Auflösung von Verletzungen der Systemgesetze im Beitrag: Emotionale Verletzungen auflösen beschrieben.
Anwendungsfelder der Systemischen Mediation
Wir setzen die Systemische Mediation in vielen Bereichen ein:
1. In Unternehmen
- Konflikte zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
- Machtkämpfe und Blockaden in Teams
- Unternehmensnachfolgen, in denen alte Verletzungen zwischen Generationen hochkommen
- Konflikte zwischen Unternehmerpaaren oder zwei Geschäftsführern
2. In Familien
- Erbstreitigkeiten
- Konflikte zwischen Eltern und erwachsenen Kindern beispielsweise in der Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen
- Trennungs- oder Scheidungskonflikte
3. In Teams
- Mobbing und Ausgrenzung
- Dysfunktionale Teamstrukturen
- Demotivation und innere Kündigung
- Mobbing
Fazit: Warum Systemische Mediation so wirksam ist
Im Gegensatz zur klassischen Mediation oder reinen Coaching-Ansätzen arbeitet die Systemische Mediation auf einer tieferen Ebene. Sie löst nicht nur die Symptome eines Konflikts, sondern beseitigt seine eigentliche Ursache – nämlich Systemgesetzverletzungen, die unbewusst das Handeln der Beteiligten steuern.
Wenn emotionale Verletzungen aufgelöst werden, kann eine echte Veränderung stattfinden. Erst dann werden die Betroffenen wieder handlungsfähig und können eigenständig Lösungen für ihre Sachthemen finden.
Systemische Mediation ist deshalb eine hocheffektive Methode, um festgefahrene Konflikte nachhaltig zu lösen und neue Perspektiven für eine gesunde Zusammenarbeit zu schaffen. Wenn Sie sich im Thema vertiefen wollen, dann lesen Sie den Beitrag: Unsere Methode der systemischen Mediation
Das Buch Systemische Mediation – Auflösen von emotional eskalierten Konflikten in Familien, Teams (Mobbing), Unternehmen oder Unternehmensnachfolgen (07. Juli 2016) vermittelt Mediationskompetenz in schwierigen und eskalierten Konflikten.
Weitere Bücher von Dr. Bischop über Coaching, Führung und Persönlichkeitsentwicklung sowie Selbstcoaching.
Systemische Mediation von Dr. Dieter Bischop
Werden die Systemgesetze wie Zugehörigkeit, Anerkennung oder Gerechtigkeit verletzt, so kommt es zu Konflikten. Diese lassen sich auf der Sachebene nicht lösen. Dieter Bischop entwickelt in diesem Buch die systemische Mediation, die sich grundlegend von der klassischen Mediation unterscheidet.
In der systemischen Mediation werden Verletzungen vom Zeitpunkt der Entstehung aufgelöst, so dass blockierte Energien, die krank machen können, wieder frei fließen und die Beziehung sich grundlegend verbessern kann. Ist das Gefühl von Zugehörigkeit, Respekt und Vertrauen wieder am Wachsen, so können darauf aufbauend die Sachfragen eigenständig geklärt werden. Das Buch bietet für verschiedene Kontexte wie Paare, Teams oder der Unternehmensnachfolge viele Praxisbeispiele, wie sich mit der systemischen Mediation Misstrauen in Vertrauen, Demotivation in Motivation, Angst in Selbstbewusstsein, Krankheit in Gesundheit, Misserfolg in Erfolg und Stress in Gelassenheit entwickeln kann.
Inhalte des Buches: Systemische Mediation
Kapitel1: Systemgesetze in der systemischen Mediation
Im ersten Kapitel mit dem Titel Systemgesetze in der systemischen Mediation erhalten Sie einen Überblick über den Unterschied zwischen der klassischen und der systemischen Mediation und was es mit den Systemgesetzen auf sich hat. Ein typischer Konfliktverlauf wird aufgezeigt und welche Voraussetzungen gebraucht werden, um eskalierte Konflikte bzw. Systemgesetzverletzungen zwischen zwei Personen aufzulösen.
Kapitel 2: Umgang mit Konflikten und Mobbing
Das zweite Kapitel überträgt die Konfliktlösungsmethoden für zwei Personen auf Konflikte in Teams und Mobbing-Problematiken. Dazu wird ein typisches Vorgehen des CoachMediators vorgestellt. Einerseits wird dargestellt, mit welchen Beteiligten zuerst gesprochen wird, und andererseits werden die angewendeten Methoden wie die Erstellung eines Systemogramms oder eines Zeit-/Ursachen-Diagramms erklärt.
Kapitel 3: Auftragsklärung
Thema des dritten Kapitels ist die Auftragsklärung. Welchen Auftrag erhält der CoachMediator und kann er diesen Auftrag stimmig annehmen? Es wird ein System-Fragen-Katalog vorgestellt, der dabei hilft, den Auftrag (den Hut) während des Prozesses (auf-) zu behalten. Der SystemCheck bzw. die Ökologie- sowie die KDW-Fragen zur Auftragsklärung werden ausführlich vorgestellt.
Kapitel 4: Coaching in der systemischen Mediation
Das führt zum vierten Kapitel Coaching in der systemischen Mediation. Coaching wird in der systemischen Mediation zur Herstellung der beiden Voraussetzungen „Es war mal gut/neutral“ und „Beide sind ausgeglichen kraftvoll genug zum Zeitpunkt der ersten Verletzung“ bei den Konfliktparteien und zur Persönlichkeitsentwicklung des CoachMediators genutzt. Coaching und Mediation gehören in der systemischen Mediation integral zusammen, dieses soll der Begriff CoachMediator verdeutlichen.
Kapitel 5: Gründe dafür, dass die Voraussetzung, „Es war mal gut/neutral“ nicht erfüllt ist
Im fünften Kapitel werden Gründe dafür aufgeführt, dass die Voraussetzung: „Es war mal gut/neutral“ nicht erfüllt ist und wie diese Voraussetzung hergestellt werden kann. Diese wird als eine von den fünf Voraussetzungen zur Auflösung von Systemgesetzverletzungen gebraucht. Hierbei werden Bereiche des Coachings und der Persönlichkeitsentwicklung gestreift.
Kapitel 6: Systemische Mediation mit Paaren
Im sechsten Kapitel wird die systemische Paarmediation erläutert.
Kapitel 7: Systemische Mediation in der Teamentwicklung
Das siebte Kapitel befasst sich mit der systemischen Mediation in der Teamentwicklung. Es werden die sieben Teamentwicklungsebenen vorgestellt, wobei die Basisebene die Systemgesetzebene ist. Ein typisches Vorgehen des CoachMediators für eine Teamentwicklung wird dargestellt. Neben dem Vorgehen zur Konfliktlösung wird eine Übung zur Erarbeitung einer Teamvision und einer Teammetapher aufgeführt.
Kapitel 8: Systemische Mediation bei der Unternehmensnachfolge
Im letzten Kapitel erhalten Sie einen Überblick über die systemische Mediation bei der Unternehmensnachfolge. Ein erprobtes Vorgehen und welche Voraussetzungen gebraucht werden, damit eine Nachfolge gelingen kann, wird im Buch Systemische Mediation aufgezeigt.
Wenn Sie die systemische Mediation erlernen wollen, dann kommen Sie zu unserer Coaching-Mediationsausbildung.