Was sind systemische Fragen? Und welche Erweiterungen bringt das SystemEmpowering?
Systemische Fragen sind ein zentrales Werkzeug in der Mediation, im Coaching und in der Konfliktbearbeitung. Sie helfen dabei, neue Perspektiven zu eröffnen, Wechselwirkungen in einem sozialen System sichtbar zu machen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Die klassischen systemischen Fragen lassen sich dann gut anwenden, wenn keine tieferliegenden emotionalen Verletzungen vorliegen. Ist die Beziehung durch Angst, Wut und Misstrauen belastet, dann können die klassischen Fragen so kontraproduktiv sein.
Wir haben dazu die systemischen Fragen ergänzt, die in unserer SystemEmpowering Coach-Mediator Ausbildung gelehrt wird.
Was sind die klassischen systemische Fragen?
Systemische Fragen dienen dazu, die Dynamiken in einem Konflikt oder einer Gruppe besser zu verstehen und neue Perspektiven einzunehmen. Im Kern regen sie dazu an, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die Dynamik eines gesamten Systems zu betrachten. Hier einige zentrale Kategorien:
Zirkuläre Fragen
Ziel: Perspektivwechsel und das Erkennen von Wechselwirkungen in einem System.
Beispiel:
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- „Was glaubst du, wie deine Kollegin die Situation wahrnimmt?“
- „Wie würde dein Partner dein Verhalten in dieser Situation beschreiben?“
Hypothetische Fragen und Wunderfragen
Ziel: Möglichkeitsräume öffnen und kreative Lösungswege fördern.
Beispiel:
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- „Was wäre, wenn diese Herausforderung morgen gelöst wäre?“
- „Wie würde sich dein Team verhalten, wenn dieses Problem nicht existierte?“
Lösungsorientierte Fragen
Ziel: Den Fokus auf Ressourcen und Stärken lenken.
Beispiel:
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- „Wann hat die Zusammenarbeit in der Vergangenheit besonders gut funktioniert?“
- „Was hat damals geholfen, eine ähnliche Situation zu lösen?“
Skalierungsfragen
Ziel: Fortschritte messbar machen und Zustände bewerten.
Beispiel:
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- „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie zufrieden bist du mit der aktuellen Situation?“
- „Was müsste passieren, damit du von einer 6 auf eine 8 kommst?“
Paradoxe Fragen
Ziel: festgefahrene Denkmuster aufbrechen.
Beispiel:
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- „Was müsstest du tun, damit das Problem noch größer wird?“
- „Wie könntest du sicherstellen, dass die Situation so bleibt, wie sie ist?“
Ressourcenfragen
Ziel: Potenziale und Stärken sichtbar machen.
Beispiel:
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- „Welche Fähigkeiten hast du, die dir in dieser Situation helfen können?“
- „Wer könnte dich bei der Lösung des Problems unterstützen?“
Reflexive Fragen
Ziel: Selbstreflexion und Eigenverantwortung fördern.
Beispiel:
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- „Was denkst du, warum dir dieses Thema so wichtig ist?“
- „Welche Werte stecken hinter deiner Entscheidung?“
Kontextuelle Fragen
Ziel: Den größeren Zusammenhang eines Problems erforschen.
Beispiel:
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- „Wie passt dieses Problem in das Gesamtsystem?“
- „Welche Rolle spielen äußere Einflüsse dabei?“
Nutzen systemischer Fragen
- Erweiterung des Blickwinkels: Sie helfen, andere Perspektiven einzunehmen und Verbindungen in einem System zu erkennen.
- Fokus auf Lösungen und Ressourcen: Der Blick richtet sich auf vorhandene Stärken und Handlungsmöglichkeiten, statt auf Defizite.
- Verantwortung und Selbstwirksamkeit: Sie fördern eigenständiges Denken und die Entwicklung eigener Lösungen. Diese haben wir auch in den Ansatz der systemischen Gesprächsführung einfließen lassen.
Die oben genannten Fragen sind dann geeignet, wenn keine emotionalen Verletzungen mit Angst und Wut vorliegen. Dafür haben wir weitere systemische Fragen entwickelt, um solche Verletzungen auflösen zu können.
Erweiterungen der systemischen Fragen durch das SystemEmpowering
Das SystemEmpowering und die Systemische Mediation erweitert den klassischen Mediationsansatz durch die Einbindung der Systemgesetzebene und lösungsorientierter Methoden. Hier sind die wichtigsten Neuerungen und deren Bedeutung:
Systemgesetzebene als Fundament der Mediation
Nach unserer über 25 jährigen Erfahrung liegt die Ursache der meisten Konflikte in der Verletzung von Systemgesetzen. Diese Gesetze regeln grundlegende menschliche Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Respekt und Gleichgewicht. Werden sie verletzt, entstehen tiefgehende emotionale Konflikte.
Beispiele für Systemgesetzverletzungen:
- „Gab es eine Systemgesetzverletzung, wie Ausschluss oder fehlende Anerkennung?“
- „Wurde früher vor später missachtet? Hat sich jemand vorgedrängelt“
- „Ist das Geben und Nehmen im Ungleichgewicht?“
Erweiterung: In der systemischen Mediation wird der Fokus auf diese Ebene gelegt, da sie die Basis für die Beziehungs- und Sachebene bildet. Konflikte werden erst dann nachhaltig gelöst, wenn Verletzungen auf dieser fundamentalen Ebene geheilt werden.
Lösungsorientierung in die Vergangenheit
Im Gegensatz zur klassischen Mediation und den systemischen Fragen, die oft in der Gegenwart oder der Zukunft nach Lösungen sucht, geht die systemische Mediation zurück zu einem Zeitpunkt, an dem die Beziehung zwischen den Konfliktparteien noch gut war. Von diesem Punkt aus werden Verletzungen aufgearbeitet und das Fundament wiederhergestellt.
Beispiel: Konflikt in einer Partnerschaft
- Klassischer Ansatz: „Wie können wir uns jetzt einigen?“
- Systemischer Ansatz:
„Wann war es das letzte Mal gut genug zwischen euch? Wie war es beim Kennenlernen?“
„Wann ist die allererste Verletzung eingetreten? Wer sind die Verursacher und Mitverursacher?“
„Sind beide beim Kennenlernen powervoll genug?“
„Wie war das Verhalten, dass zu einem schlechten Gefühl geführt hat?“
„Welches schlechte Gefühl wurde ausgelöst?
„War es die Absicht, dieses schlechte Gefühl zu erzeugen?“
„Kann der Verursacher anteilig Verantwortung und Wut von dem Verletzenden nehmen?
„Wie hättest du dich verhalten, damit es nicht zur Verletzung gekommen wäre?“
Vorteil: Die Vergangenheit wird genutzt, um emotionale Verletzungen aufzulösen und eine Basis für nachhaltige Lösungen zu schaffen.
Integration von Coaching und Mediation
Das SystemEmpowering und die systemische Mediation kombiniert Coaching-Methoden, um Konfliktparteien zu stärken und Voraussetzungen wie „ausgeglichen kraftvoll genug“ zu schaffen. Einzelgespräche helfen dabei, die Konfliktparteien auf die Mediation vorzubereiten.
Beispiel: Coaching vor der Mediation
- Ziel: Stärkung der Konfliktparteien, um Verantwortung zu übernehmen und emotionale Stabilität zu gewinnen.
- Methode: Ressourcenarbeit, Reflexion der eigenen Rolle im Konflikt.„Welcher Anteil liegt bei dir, dass es zum Konflikt gekommen ist?“
„Hast du genügend Power, um ein neues Verhalten zeigen zu können, damit keine Verletzung entsteht?“
„Bist du gut mit deinen Eltern und Vorfahren verbunden?“ Bekommst du genügend Liebe und Urvertrauen von deinen Eltern?“
Fazit: Systemische Fragen und Mediation als nachhaltiger Ansatz
Systemische Fragen und die Erweiterungen durch die systemische Mediation bieten einen vollständigen Ansatz, um Konflikte nachhaltig zu lösen. Durch den Fokus auf die Systemgesetze, die Integration von Coaching-Methoden und die Orientierung an der Vergangenheit können anhaltende emotionale Verletzungen aufgearbeitet und echte Veränderungen erzielt werden.
Dieser Ansatz ist besonders wertvoll in komplexen Konflikten, sei es in Unternehmen, Teams oder Familien. Er eröffnet neue Perspektiven, stärkt die Eigenverantwortung und schafft die Basis für eine gesunde Zusammenarbeit.